Emanuel Geibel. Aufstieg und Fall eines Umstrittenen



Sonderausstellung| Buddenbrookhaus| Lübeck | 22.11.2015 - 31.01.2016 | 67 qm

Projektkoordination, Unterstützung bei der Ausstellungsplanung, Buchhaltung


Die Ausstellung porträtiert den umstrittenen Lübecker Dichter Emanuel Geibel (1815-1884), der schon zu Lebzeiten polarisierte: auf der einen Seite häufig in die Tradition Goethes und Schillers gestellt, auf der anderen Seite angefeindet und literarisch abgewertet. Sein Bezug zum Nationalismus und Militarismus, zu Krieg und Heldentod sowie die Verehrung des Kaisers und die Haltung gegen Frankreich müssen im Kontext des 19. Jahrhunderts verstanden werden, die Haltung stößt uns in der heutigen Zeit jedoch bitter auf. Zurecht wird er daher kontrovers diskutiert, gar kritisiert, noch augenscheinlicher ist jedoch, dass er im Verlauf des 20. Jahrhunderts immer mehr in Vergessenheit geraten ist, sodass heute nur noch Fragmente seiner Arbeit, wie das Lied Der Mai ist gekommen bekannt sind.

Die Ausstellung beleuchtet den Lübecker Dichter kritisch, veranschaulicht die Kontroversen um sein Werk, seinen raschen Aufstieg und seinen tiefen Fall und lässt dabei den Besucherinnen und Besuchern den Freiraum, sich selbst ein Bild  von ihm zu machen.

Der erste Raum stellt ein begehbares Nachschlagewerk dar, welches neutral und nüchtern Geibels dichterisches Werden und seinen Aufstieg in sechs Stationen dokumentiert. Es wird kein Dichterzimmer nachgestellt, sondern die Exponate sind ohne Hierarchien nebeneinander aufgereiht - was in der Literaturmuseumslandschaft ein Novum ist. Die Erläuterungen zu den Bereichen sind an die Optik eines Wörterbuchs angelehnt, um die Sachlichkeit der Darstellung zu unterstreichen. Gebrochen wird dies jedoch mit den Stationstiteln, in denen bewusst gesetzte Wertungen anklingen.

Der zweite Raum ist vereinfach in schwarz und weiß, sowohl inhaltlich als auch räumlich. Hier stehen die Meinungen und Wertungen über Geibel im Fokus. Lobende Zitate auf der weißen Wand, kritisierende und abschätzende Kommentare auf der schwarzen Wand - dazwischen zwei Werke, die prototypisch zeigen, wofür man Geibel heute liebt und hasst. Das Gedicht Deutschlands Beruf, aus dem heute kaum mehr als der letzte Satz »Und es mag am deutschen Wesen, einmal noch die Welt genesen« bekannt und zurecht negativ konnotiert ist, zeigt, in welchem Kontext das Überbleibsel einst stand: Während der letzte Satz gut lesbar ist, kann der Rest des Gedichts erst durch eine Schwarzlicht-Taschenlampe zum Vorschein gebracht werden. Im Hintergrund läuft dabei das berühmt Lied Der Mai ist gekommen, welches von akustischen Störelementen durchzogen ist. In einer letzten Station vor dem Ausgang kann das Publikum aus heutiger Sicht abstimmen, was sie von einer Schriftstellerin oder einem Schriftsteller erwarten. Am häufigsten wurde für den Unterhaltungskünstler sowie für den politischen Intellektuellen gestimmt.

Die Ausstellung soll mit den gängigen Konventionen von Literaturausstellungen und der Hegemonie des Museums brechen. Sie soll keine vorgegebenen Interpretationen, sondern Fakten liefern, die den Besucherinnen und Besuchern ermöglichen, sich ihre eigene Meinung zu bilden und sich Emanuel Geibel durch eine andere Rezeptionsweise zu nähern - ob im Positiven oder Negativen bleibt jeder/m selbst überlassen.


Impressum

Kurator: Christian Volkmann

Projektkoordination: Vanessa Zeissig, Birte Lipinski

Gestaltung: drej Szenografie und Design, Anna Bandholz, Astrid Becker, Rike Gloy

Grafik: Nicole Gebel

 

© Fotos von Vanessa Zeissig